Mitglieder der internationalen Delegation zu Serdar Kuni's Strafverfahren in Sirnak/TürkeiAm 24. April 2017 war die War Resisters’ International Teil einer Gruppe internationaler Organisationen die den zweiten Verhandlungstag im Strafverfahren gegen Serdar Küni, Arzt und langjähriger Menschenrechtsaktivist aus der Türkei inhaftiert seit Oktober 2016, beobachtete. Unten findet sich die Erklärung der internationalen Delegation, an der sich Andreas Speck im Namen der War Resisters‘ International beteiligte, in der sie ihre Bedenken zum gestrigen Verhandlungstag erläutern.
Dr. Serdar Küni, Arzt beim Cizre Büro der Human Rights Foundation in der Türkei, wurde am 24. April 2017 am zweiten Prozesstag nach Paragraph 220/7 des türkischen Strafgesetzbuches wegen „Hilfeleistung und Begünstigung terroristischer Organisationen“ verurteilt.
Das Gericht verurteilte Dr. Küni zu vier Jahren und zwei Monaten Gefängnisstrafe. Es ließ ihn aber bis zu seinem bevorstehenden Berufungsverfahren frei. Ein offizielles schriftliches Dokument, welche das Urteil begründet, ist noch nicht verfügbar.
Die Anklage basierte auf Anschuldigungen, dass Dr. Küni während der Zusammenstöße in Cizre 2015-2016 an einem geheimen Ort Personen medizinisch behandelt habe, die angeblich einer terroristischen Organisation angehörten. Seine Festnahme, Haft und Strafverfolgung sind Teil einer Welle von Festnahmen, Entlassungen und anderen juristischen Mitteln, die seit Juli 2015 in der Südosttürkei und in der gesamten Türkei seit dem Putschversuch im Juli 2016 gegen Menschenrechtsverteidiger*innen, medizinisches Personal, Jurist*innen, Journalist*innen und Akademiker*innen zu beobachten ist.
Wir, die Mitglieder der internationalen Delegation, die den Prozess am 24. April beobachtet hat, haben dies getan, weil wir darüber besorgt sind, dass Mitglieder medizinischer Berufe wegen der Ausübung ihrer professionellen Verpflichtungen verfolgt werden. Unsere Rolle, die im Vorhinein dem Gericht dargestellt wurde, drehte sich darum, zu beobachten, in welchem Ausmaß der internationale Standard für faire Verfahren, der im internationalen Recht verankert ist und auch die Türkei bindet, angewandt wurde.
Unsere Folgerungen sind, dass das Gericht die grundlegendsten Standards ignorierte und den willkürlichen Charakter der Vorwürfe gegen Dr. Küni nicht in Betracht zog. Unsere wichtigsten Besorgnisse sind im Folgenden zusammengefasst.
Dr. Küni wurde zwar als einzelner Arzt angeklagt, jedoch hat die Art, wie mit diesem Verfahren umgegangen worden ist, potenziell weitreichende Folgen. Während des gesamten Verfahrens hat die Anklage versucht, die grundlegenden Pflichten und ethischen Grundsätze des medizinischen Berufsstandes zu kriminalisieren. Dies ist schon für sich genommen ein Akt der Einschüchterung und Schikane. Wir sind besorgt, dass dieses Verfahren einen Präzedenzfall für die Zukunft setzt, von dem der gesamte Berufsstand betroffen sein wird. Unsere Folgerungen bezüglich der Verletzung der internationalen Standards für ein gerechtes Verfahren hinterfragen auch die Unabhängigkeit und Objektivität der eingesetzten Richter.
Im Auftrag von:
Übersetzung: Bund für Soziale Verteidigung e.V., www.soziale-verteidigung.de